Helga Schmetzer

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In der Gemeinde kennt man Helga Schmetzer als Chorleiterin von mix’n free, den Chorkids und als Sängerin bei Funkenklang. Dabei sind das nur Nebentätigkeiten der promovierten Biologin. Wie sie erfolgreich Leukämien bekämpfen will und wie es mit dem Vertonen der DNA aussieht, dazu haben wir sie befragt.

Helga, wie bist Du zur Musik gekommen?
In meiner Familie wurde viel gesungen: an Weihnachten, beim Wandern, im Urlaub mit Freunden. In der Grundschule bekamen wir von einer Klosterfrau Flötenunterricht und einige von uns wurden vorbereitet für Jugend Musiziert – meine Schwester und ich haben dreimal gute Preise bekommen. Dann hatte ich drei Jahre lang Unterricht in klassischer Gitarre und habe viele Jahre im Schulchor gesungen. In der Oberstufe hatte ich allerdings Musik gegen Kunst getauscht und dann ca. 20 Jahre lang wenig musiziert. Durch eine Urlaubsbekanntschaft in Asien wurde ich schließlich in ein Instrumental-Quintett in Zorneding aufgenommen und sang ab unserem Umzug nach Oberhaching vor ca. 23 Jahren im Kirchen- und Gospelchor und in einem Quintett.

Wie kamst Du zu deinen beiden Chören mix’n free und ChorKids?
Bei den ChorKids haben früher meine Kinder mitgesungen (jetzt machen sie die Technik) und ich hatte instrumental an Weihnachten unterstützt. Gemeinsam mit Katharina Meinecke hatte ich dann vor ca. 9 Jahren den Kinderchor übernommen, weil sich keine Leitungsnachfolge fand und wir nicht wollten, dass er sich auflöst. Mix’n free hat sich vor 13 Jahren aus dem Gospelchor heraus entwickelt und ich wurde gebeten, die Leitung zu übernehmen, da ich manchmal Proben geleitet oder Gottesdienste dirigiert hatte. Mix’n free hat sich dann ein eigenes „Programm“ gegeben: als ökumenischer Chor die evangelische und katholische Kirche musikalisch zu versorgen. Außerdem wollten wir uns musikalisch bunt aufstellen. Und dann kam meine musikalische Ausbildung: Erst hab ich den D-Kurs in klassischer Chorleitung gemacht. Das war mein Basis-Niveau. Da lernst Du Harmonielehre, Rhythmik, Dirigat, Kirchenmusik und ihre spannende Geschichte. Dann hab ich beim Popularmusikverband den (intensiveren) D-Kurs mit Schwerpunkt Bandleitung gemacht und bin eineinhalb Jahre lang einmal pro Monat für ein Wochenende nach Nürnberg gefahren. Da habe ich gelernt wie man Bandarrangements  z. B für E-Gitarre, Schlagzeug, Gesang schreibt. Das war mir wichtig, weil wir ja bei mix’n free viele Instrumente und verschiedene Musikrichtungen haben.

Wie kannst Du das alles mit Deinem Beruf unter einen Hut bringen?
Das geht schon, man kann auch viel in der U-Bahn machen (lacht). Zum einen liefen diese Musikkurse über einen Zeitraum von 13 Jahren. Außerdem arbeite ich in Teilzeit, wie mein Mann übrigens auch. Wir teilen uns die Aufgaben zu Hause und es ist immer jemand bei den Kindern. Aber es ist schon ein Nebenberuf, es fließt viel Zeit rein.

Bist Du auch mal an Deine Grenzen gestoßen?
Oh ja, das passiert immer mal wieder (lacht wieder). Vorletztes Jahr hab ich noch den zweijährigen C-Kurs für Pop-, Gospel- und Jazz-Chorleitung mit staatlichem Abschluss gemacht. Das war eine andere Liga. Da bin ich jeden Monat ein ganzes Wochenende lang zum Kurs nach Nürnberg gefahren. Man musste viel vor- und nachbereiten, hat aber sehr viel gelernt: z. B. wie man alte Kirchentonarten für Jazzimprovisationen verwenden kann oder welche schrägen Polyrhythmen es gibt. Und natürlich haben wir auch gelernt, dass der klassische Klang am „weichen Gaumen“ und Popsongklang in der „Backentasche“ gebildet wird. Was mich v. a. auch zeitlich an meine Grenzen gebracht hat war, dass ich auf meine alten Tage noch Klavierspielen lernen musste. Ich hatte mir vorgenommen mit der Note 4 im Klavierspiel durchzukommen, dann hab ich aber doch mit 3,7 bestanden.

Du bist ja Spezialistin für Immuntherapie bei Leukämie. An was arbeitest Du zur Zeit?
Ein großer Schwerpunkt ist, das Immunsystem gegen Tumorzellen scharf zu machen. Ich hab untersucht, wie Tumorzellen der Immunantwort entgehen können und wie Effektorzellen Tumorzellen abschießen. So genannte dendritische Zellen gelten als „Dirigenten des immunologischen Orchesters“ – das ist übrigens nicht von mir. Im gesunden Körper verschlucken sie Teilchen von infizierten Zellen oder Tumorzellen, verdauen sie, hängen sie in veränderter Form an der Zelloberfläche aus – und machen sie dadurch für Zellen des  Immunsystems erkennbar. Und diese können die Tumorzellen dann wieder abschießen. Bei Tumorpatienten versagt dieser Mechanismus. Bestimmte (sogenannte myeloische) Leukämien kann man direkt zu sogenannten „dendritischen Zellen leukämischer Abstammung“ „umwandeln“, die dann das Immunsystem gezielt gegen die leukämischen Zellen scharf machen. Wie das geht haben wir in ca. 17 Jahren mit Zellkulturen entwickelt und bei leukämiekranken Ratten gezeigt, dass das funktioniert. Unser Ziel ist, diese „Umwandlung“ leukämischer Zellen in einen „Impfstoff“ direkt IM Patienten zu machen. Damit wollen wir  helfen, dass die Patienten keine Rückfälle ihrer Erkrankung erleiden, ein großes Problem bei dieser Erkrankung. Das kommt, weil sich im Körper leukämische Zellen verstecken und dann in kurzer Zeit den Rückfall bewirken.

Ist das nicht eine tolle Nachricht für Leukämiekranke?
Ja klar. Wir haben verschiedene „Cocktails“ entwickelt, die man den Patienten spritzen kann. Reizvoll ist, dass die für alle Patienten geeignet sind, unabhängig von Alter, Gewebetyp oder Mutation der myeloischen Leukämie. Ich brauche keinen (teuren) Reinraum für die Herstellung: der Patient produziert selber seinen Impfstoff im Körper, aktiviert sein Immunsystem und legt ein immunologisches Gedächtnis an, wie bei einer anderen Impfung auch, aber eben gegen die Leukämie. Das wäre ein Durchbruch in der Therapie,  wir wissen aber noch nicht ob es regelmäßig im Patienten funktioniert, wir haben es bisher erst einmal im Patienten getestet.

Es muss extrem motivierend sein, solche Ergebnisse in Aussicht zu haben.
Ja, ich brenn total dafür das Immunsystem gegen Tumore scharf zu machen. Da wollte ich als Schülerin schon hin. Das ist mein Lebenswerk. Ich hab privat Patente für die Cocktails in Deutschland, USA und Europa angemeldet, die Uni hat kein Geld dafür. Ich versuche nun Investoren dafür zu finden, um eine klinische Studie zu machen. So weit bin ich gerade und will ein Start-up gründen.

Das hört sich alles spannend an. Gibt es da auch eine Schnittstelle zur Musik?
Ich hab ja schon von Dirigenten des immunologischen Orchesters gesprochen. Man könnte aber auch „molekularer“ ansetzen: Es gibt 21 Aminosäuren, das sind die Bausteine der Eiweiße in unserem Körper: Ordnet man jeder Aminosäure einen Ton zu, dann könnte man (inclusive Halbtonschritte) 3 Oktaven abdecken. Da sich hinter jeder Aminosäure eine RNA (bzw. DNA-Sequenz) verbirgt, könnten wir die genetische Information oder Aminosäuresequenz z. B. des Testosteron-Rezeptors im Vergleich zum Östrogen-Rezeptor singen und schauen, was lieblicher klingt (lacht). Für diese Tonzuordnung bräuchte man einen Informatiker (denn es soll ja nach was klingen). Außerdem hat der Chor gesagt, dass sie dann gehen. Vielleicht sollte ich das mit dem Kinderchor versuchen (lacht wieder).

Neben all den Tätigkeiten hast Du ja auch noch den Verein „Unser täglich Brot” gegründet und bist dessen 1. Vorsitzende. Gibt es im Hachinger Tal so viele bedürftige Menschen?
Oh ja. Es gibt bei uns etliche Familien, die nicht in der Lage sind z. B. zum Schuljahresbeginn neue Hefte anzuschaffen. Der Verein wird inzwischen von 4 Kirchengemeinden und der Caritas im Hachinger  Tal unterstützt und hat schon vielen Kindern geholfen, die durch das soziale Raster fallen. Wir feiern heuer unser 10jähriges Jubiläum, was mich besonders freut. Wir finanzieren uns aus Spenden, oft bekommen wir die Hälfte der Einnahmen aus mix’n free-Konzerten. Beim letzten Faschingskonzert haben wir 1100 Euro eingenommen.

Was ist das Besondere für Dich an unserer ev. Kirchengemeinde hier in Oberhaching?
Dieses nah am Menschen Agieren. Egal ob alt, ob jung, ob Randgruppe, konservativ oder Freidenker. Jeder ist angenommen und wird begleitet. Es gibt keine Negativwertung, das finde ich schön und dafür will ich mich auch einsetzen. Das gefällt mir auch am Kirchenvorstand, er ist breit aufgestellt. Man macht Aktionen für Ältere, Jugendliche, Feste, Garten, Flüchtlinge, Umwelt, Kirchenmusik, usw. Das finde ich zentral wichtig und es ist das, wofür wir als Christen stehen sollten. Ich bin ein Fan von Karsten und Irene, weil sie zusammen mit dem Kirchenvorstand diesen Freiraum ermöglichen und dadurch allen Heimat geben.

Infos zu Helga:

Prof. Dr. Helga Schmetzer wurde in Gunzenhausen (Mittelfranken) geboren und ist in Ingolstadt aufgewachsen. Sie studierte Biologie in München und hat in ihrer Diplomarbeit Antibiotika-Resistenz von Bakterien behandelt. Ihre naturwissenschaftliche Doktorarbeit hat sie am Institut für Humangenetik (Biologische Fakultät) im Klinikum Großhadern geschrieben. Promoviert hat sie über das Thema, wie man Restleukämie nach Chemotherapien nachweisen kann. Dann war sie zuständig für molekulare, immunologische und Chromosomendiagnostik von Bluterkrankungen und wechselte 1998 zur immunologischen Seite (Abteilung Stammzelltransplantation). Seit 2007 arbeitet sie als Professorin für experimentelle Hämatologie, d. h. sie beschäftigt sich mit gut- und bösartigen Erkrankungen des Blutes. Sie ist verheiratet und Mutter von vier Kindern.

Infos zum Verein Unser täglich Brot:

Der ökumenische Verein Unser täglich Brot e.V. wurde 2008 gegründet. Im Vorfeld des Őkumenischen Kirchentages 2010 in München schlossen sich zehn evangelische und katholische Gemeinden des Hachinger Tals zusammen, um benachteiligten Kindern zu helfen. Professionelle Unterstützung bekommt der Verein von der Caritas. Alle Mitarbeiter arbeiten ehrenamtlich, so dass alle Spendengelder dem Verein zu Gute kommen.

Verein, der mit Geldern pfiffiger Spender Gutes tut
Der Verein übernimmt unbürokratisch die Kosten für die Verpflegung in Mensen, Mittagsbetreuung, Kindergärten oder Kinderkrippen, die Kosten für die Ausstattung mit Schulzubehör (z. B. Schulranzen, Schreibutensilien etc.) oder Kosten für Nachhilfe, Klassenfahrten, Mitgliedschaften im Sportverein, Ferienbetreuung, MVV-Kosten und vieles mehr – Kosten, für die sonst niemand einsteht.

Zuwendungen erhält der Verein von institutionellen, gewerblichen und privaten Spendern. Unser Ziel ist es, Bewusstsein für die Not benachteiligter Menschen zu schaffen. Wir sind daher für alle Spenden dankbar – ohne Ihre Hilfe geht es nicht! Falls Sie auch 2018 spenden möchten, freuen wir uns über Spenden in jeder Höhe!

Unser täglich Brot e. V.
Kreissparkasse München-Starnberg
IBAN DE68 702 501 500 022 235 493 (gegen Spendenquittung)